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Das Experiment "Experimenta" geglückt

08 März 2020 Von: Brigitte Fritz-Kador, Rhein-Neckar-Zeitung

In den ersten neun Monaten kamen 250.000 Besucher - Hauptattraktion ist der "Science Dome" - "Filiale" in Stuttgart

Heilbronn. Die Besucherzahlen sind hoch und zeigen, dass die neue "Experimenta" bestens angekommen ist. Aber sie sagen nicht alles, was es zu dem "Science Center" noch zu sagen gibt, das seit März letzten Jahres mit einem spektakulären Neubau auch eine ebensolche Erweiterung erfahren hat und rechtzeitig zur Bundesgartenschau fertig geworden war. Denn gerade der Buga-Effekt lässt sich nicht wiederholen.

Weil im Selbstverständnis der Leitung und sicher auch dem der Dieter-Schwarz-Stiftung, die die "Experimenta" trägt, Stillstand gleich Rückschritt wäre, geht man offensiv neue Felder an, hat auch neue Präsenzen im Blick. So wird das "Experimenta"-Schiff demnächst in vielen süddeutschen Städten anlegen und wird es im Stuttgarter Mercedes-Museum eine Außenstelle geben. Hier sollen Besucher angezogen und dann nach Heilbronn "weitergeleitet" werden. Wie das gehen wird – nicht nur über Lerninhalte und -möglichkeiten, auch über neue Zielen und Zielgruppen, Events und Veranstaltungen auf Bundesebene –, darüber wurde bei der ersten Bilanz auch informiert.

So legte bei der Jahrespressekonferenz das Leitungsteam unter Dr. Wolfgang Hansch Zahlen vor, die den Zeitraum vom Eröffnungstag 31. März bis Jahresende umfassen. Sie zeigen, dass die "Experimenta" mit 251.149 Besuchern sehr gut angekommen ist – das sind etwa doppelt so viele, wie Heilbronn Einwohner hat. Hansch nennt das zurückliegende Jahr dann ein "besonderes".

Auch aufgeschlüsselt ergeben die Zahlen ein interessantes Bild. So war der "Science Dome" mit seiner spektakulären 360-Grad-Optik und manch ebensolche Veranstaltung die Hauptattraktion mit mehr als 100.000 Besuchern, und hier wiederum war der Spitzenreiter der 3-D-Film "Wir sind Sterne", eine Zeitreise durch das Universum, den 35.020 Besucher sahen. In den Laboren und Forscherwelten experimentierten mehr als 18.000 Kinder. Der Neubau mit 275 Mitmachstationen auf vier Ebenen, aber auch die Sternwarte sind sehr gut angekommen und angenommen worden. Wenn es heißt, dass hier jedes Kind nicht nur etwas über die eigenen Kompetenzen erfahren, sondern zum Weltentdecker werden kann, dann wird es in der Sternwarte auch noch Weltraumentdecker.

Die Sternwarte will ihr Programm nun erweitern und neben tageslichtabhängigen "Exkursionen" zur Sonne vermehrt auch nächtliche anbieten. Ein eigenes Team aus Pädagogen und Wissenschaftlern betreut mehr als 60 auf Lehrpläne abgestimmte Kurse.

Das Kulturministerium hat die "Experimenta" als außerschulischen Lernort und ebensolches Forschungszentrum anerkannt. In ihrem "Schülerforschungszentrum Nordwürttemberg" arbeiten aktuell 63 Schüler an 28 Jugend-forscht-Projekten. Hier geht es um innovative Lösungen für sehr reale Probleme, wie etwa die Entwicklung eines Geigerzählers zur unabhängigen Messung von Strahlenbelastung oder die Herstellung von Plastik aus Proteinen pflanzlichen und tierischen Ursprungs. Im nächsten Jahr wird der Bundeswettbewerb "Jugend forscht" von der "Experimenta" ausgerichtet. Das wird mit mehr als 1000 erwarteten Teilnehmern und viel Prominenz eine besondere Herausforderung.

Insgesamt zählt die "Experimenta" mehr als 200 Mitarbeiter und bildet seit neuestem auch aus. Die Angebote in den Laboren der Forscherwelten sind auf die Bildungspläne abgestimmt, ermöglichen Raum für vielfältige Experimente. Dass Tüfteln und Konstruieren keine Frage des Alters ist, zeigt sich dienstags bis samstags im "Maker Space", ein Treffpunkt für 14- bis 86-Jährige, um sich auszutauschen oder eigene Projekte zu verfolgen. Mehr als 5000 Macher nutzten diese offene Plattform, lernten den Umgang mit Geräten wie 3-D-Drucker, Lötstation, Nähmaschine oder Lasercutter um sie anschließend kostenfrei zu nutzen. Dabei ist man besonders stolz darauf, dass, wie die große Zahl von "Wiederholungstätern" zeigt, solche Angebote auch eine soziale Funktion erfüllen.

Erfolg misst die "Experimenta" aber nicht nur in Besucherzahlen. Die eigenen Angebote werden auch geprüft, erweitert, mit eigenen Ideen und Produktionen ergänzt, Elemente in den Ausstellungen erneuert. Die "Experimenta" liegt nicht nur am Neckar, hier ist tatsächlich alles im Fluss. So kann Hansch dann auch feststellen: "Der Besuch der "Experimenta" schafft eine Basis, um technologische Veränderungen positiv und mit Wissbegierde zu begegnen. Doch auch wir entwickeln uns kontinuierlich weiter und möchten uns als Bildungseinrichtung für die Wissensgesellschaft im 21. Jahrhundert fest etablieren. Wir werden uns deshalb auch als touristischer Bildungsort, als Einrichtung für Aus- und Weiterbildung sowie als Ort für Lehr- und Lernforschungsprojekte entwickeln." Und er fügt hinzu, man brauche solche Orte auch, um generationenübergreifend Spaß zu haben, genauso wie auch um einer sich immer rascher entwickelnden und internationaler werdenden Gesellschaft zu begegnen.

Hintergrund

"Wasser" und "Biodiversität" spielen als neue Themen die Hauptrolle im neuen Programm der "Experimenta". Am 25. April startet die vom American Museum of Natural History konzipierte und erstmals in Deutschland zu sehende rund 800 Quadratmeter große Sonderausstellung "Ozeane – Eine Reise in verborgene Welten". Mit dem Technologiewettbewerb "Formel 1 in der Schule" am 9. Mai und den "Memo Masters" (31. Juli bis 1. August) finden gleich zwei Deutsche Meisterschaften in der "Experimenta" statt. Unter dem Motto "Von der Quelle bis ins Meer – Wasser neu entdecken" steht der Tag der kleinen Forscher; zu diesem werden am 16. Juni rund 1000 Mädchen und Jungen aus Kindergärten und Grundschulen erwartet. Die Geheimnisse der Korallenriffe stehen im Mittelpunkt der "Experimenta"-Frühlingsnacht am 1. April, Cineasten notieren sich den 25. April und den 27. Juni: Dann laufen die Kultfilme "2001 Odyssee im Weltraum" und "Contact" im "Science Dome". "Leschs Kosmos" liegt am 16. Mai in der "Experimenta", wenn der fernsehbekannte Astrophysiker Harald Lesch zusammen mit dem "Merlin Ensemble Wien" Vivaldis "Vier Jahreszeiten" im Spannungsbogen von musikalischer Intensität und Expertise präsentiert. Tags darauf diskutiert er mit Publikum über die Erderwärmung. Am 30. Mai hat die interaktive Show "Global Soundscapes" Premiere, sie führt auf eine 360-Grad-Reise durch ferne Länder, taucht ein in die Klänge der Natur. Und: Es gibt auch wieder das Angebot von Kindergeburtstagen (fünf bis elf Jahre) in der "Experimenta"; hier kann man die Elemente Wasser und Wind live erleben oder auf Rätseltour gehen. Entsprechend anspruchsvoller ist das Programm für die Älteren. (bfk)